Führen ist wichtiger als managen

Vielen Führungskräften geht es so, wie in unserem einleitenden Beispiel von Max Baumann. Ihr Arbeitsalltag ist gefüllt von dringlichen Problemlösungen. Viel haben dabei das Gefühl fremdgesteuert zu sein und für die eigentlich wichtigen Themen keine Zeit zu haben. Häufig höre ich, dass Führungskräfte dann besonders gerne morgens um 6:00 h oder samstags arbeiten, weil sie dann ungestört sind und das erledigen können, was ihnen wichtig ist. Das gibt einen interessanten Hinweis: gebraucht wird störungsfreies Arbeiten.

Um aus diesem Hamsterrad auszusteigen, ist es sinnvoll erst einmal zwischen zwei Arten von Tätigkeiten zu unterscheiden:

Management


ethymologisch "manager" - handanlegen, aber auch Manege, das Beherrschen eines Pferdes

Als klassisches "Management" sind alle Tätigkeiten gemeint, die für gute Organisation, klare Abläufe und Klärung von fachlichen Problemen sorgen. Management beschäftigt sich also mit allen dringlichen Aufgaben, die im Alltag - im Hier und Jetzt - erledigt werden müssen. Wer sich als Manager definiert, denkt vorrangig darüber nach, was es jetzt zu tun gibt. Manager arbeiten daher ihre ToDo Liste ab und fühlen sich bisweilen als "Feuerwehr" für die Probleme in ihrem Verantwortungsbereich.

Jedes Unternehmen braucht Management, denn Managementtätigkeiten gewährleisten den reibungslosen Ablauf in der Organisation! Jede Führungskraft muss den eigenen Verantwortungsbereich dementsprechend organisieren. Allerdings: Schätzungsweise 80% der Managementaufgaben sind fachlich-administrativ und daher prinzipiell delegierbar. Es ist deshalb wichtig, eine Organisation zu entwickeln, in der fachlich-administrative Aufgaben von kompetenten Mitarbeiter:innen übernommen werden, anstatt von der Führungskraft, um Zeit für Führung zu haben. Und genau das erfordert Führungszeit: Mitarbeiter zu entwickeln.

Führung


ethymologisch "in Bewegung bringen"

Gute Führung/Leadership beschäftigt sich mit Zukunft, Strategie und Entwicklung von Mitarbeitern und Organisation. Leader denken vorrangig darüber nach, mit welchen Impulsen sie Wachstum und Entwicklung bei Ihren Mitarbeitern und in ihrer Organisation erzielen können. Sie denken daher viel mehr über Ziele und Themen nach, die noch bevorstehen, die sein sollen, aber noch nicht sind.

Reine Führungstätigkeiten sind wichtig und selten dringlich. Das ist häufig der Grund dafür, dass diese "verschoben" werden. Aber: Führungstätigkeiten können nicht delegiert werden!

Reflexionsfrage:
Mit welcher Art Literatur beschäftigen Sie sich vorrangig:
  • mit Fachzeitschriften
  • mit Führungsliteratur

Die Antwort kann einen Hinweis darauf geben, welcher Rolle Sie den Vorzug geben: der Manager- oder der Führungsrolle.

Meiner Erfahrung nach sind Führungskräfte im Alltag viel zu viel mit Managementaufgaben gebunden. Das geht zu Kosten der Führungstätigkeit. "Für echte Führung habe ich leider keine Zeit!" höre ich oft Teilnehmern in meinen Führungsseminaren. Dies erzeugt einen Teufelskreis: je mehr Führungskräfte selbst in Managementaufgaben gebunden sind, desto weniger Zeit haben diese, Führungsaufgaben zu übernehmen. Es braucht also einen Weg, wie Führungskräfte weniger managen und mehr führen können.

Wie geht es Ihnen damit? Haben Sie auch das Gefühl, zu wenig Zeit für die Ihnen wichtigen Aufgaben zu haben?

Haben Sie Ihre ToDo-Liste bereits begonnen? Wenn nicht, sollten sie das spätestens jetzt tun!

Max Baumann hat seine Liste erstellt und gleich in die Tabelle eingetragen: linke Spalte alle Tätigkeiten, die fachlich oder administrativ sind - rechts reine Führungstätigkeiten.

In seinem Fall blieb die rechte Spalte leer.

fachlich-administrative Tätgkeitenführend-entwickelnde Tätigkeiten
Aufgabenverteilung
Urlaubsplanung
Berichte/Protokolle schreiben
Kennzahlen überprüfen
Einweisung geben
Probleme auf der Baustelle besprechen
Brief an den Rechtsanwalt schreiben
Fachartikel lesen
Krankenvertretung organisieren
Kundentelefonate
Emails
Druckerprobleme lösen
Dass er in der Spalte unter "Führungstätigkeiten" so nicht recht wusste, was er nun schreiben sollte, hat Max Baumann irritiert. Was genau ist dann Führung? Macht er tatsächlich jeden Tag so viel Dinge, von denen er bislang dachte, das wäre Führung? In einigen Fällen ist er sich auch nicht ganz sicher: Teamgespräche z.B.; ist das nun Management oder Führung oder beides?

Er beschließt dieses Thema in seinem nächsten Termin mit seinem Coach anzusprechen.

Im Verlauf dieses Gespräches haben sich neue Erkenntnisse ergeben und Max Baumann hat seine Liste mit möglichen Führungstätigkeiten ergänzt:

fachlich-administrative Tätgkeitenführend-entwickelnde Tätigkeiten
AufgabenverteilungBefugnisse delegieren
UrlaubsplanungStrategien entwickeln
Berichte/Protokolle schreibenVorausplanung
Kennzahlen überprüfenZiele vereinbaren
Einweisung gebenFragen stellen statt Anweisungen geben
Probleme auf der Baustelle besprechenLösungsideen sammeln
Brief an den Rechtsanwalt schreibenDie Rahmenbedingungen verbessern
Fachartikel lesenFeedbackgespräche initiieren
Krankenvertretung organisierenSelbstkontrolle fördern
KundentelefonateVision entwickeln und erzählen
Emails
Druckerprobleme lösen
Max Baumann fasst seine Erkenntnisse aus diesem Gespräch wie folgt zusammen:
  1. Fachlich-administrative Tätigkeiten sind meist dringlich, also zeitkritisch. Deshalb verdrängen diese Tätigkeiten die weniger dringlichen aber umso wichtigeren Führungstätigkeiten.
  2. Fachlich-administrative Tätigkeiten sind prinzipiell delegierbar - reine Führungstätigkeiten nicht.
  3. Fachlich-administrative Tätigkeiten beschäftigen sich in erster Linie mit Vergangenheit ("Was war?") oder Gegenwart ("Was jetzt?"). Führungstätigkeiten beschäftigen sich vorwiegend mit Zukunft ("Wohin?").
  4. Wenn ich immer nur auf das dringliche reagiere, bin ich re-aktiv. Wer reaktiv ist, der führt nicht, sondern wird geführt.
  5. Ich muss mir Zeit für Führung nehmen, denn sonst verdrängt das Dringliche das Wichtige!

© Tom Senninger | www.leadership.wei-sen.de | 2024