München, 08.09.2025

Salutogenese und Führung - Anspruch und Wirklichkeit

Gesundheit ist kein Zufall. Der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky prägte dafür den Begriff "Salutogenese" - die Lehre davon, was Menschen gesund erhält. (Im Gegensatz zur Medizin, was die Lehrer der Krankheiten ist). Im Zentrum steht dabei das Kohärenzgefühl: die Überzeugung, dass das Leben 1. verständlich, 2. handhabbar und 3. sinnvoll ist.

Übertragen auf Unternehmen heißt das: Mitarbeitende bleiben motiviert, resilient und leistungsfähig, wenn sie verstehen, was geschieht, wenn sie die nötigen Ressourcen haben und wenn sie wissen, wofür es sich lohnt.

Klingt einfach - aber die Realität sieht leider oft anders aus.

Verstehbarkeit in Zeiten der Algorithmen?

Mitarbeitende möchten nachvollziehen können, warum Entscheidungen getroffen werden. Doch die Welt wird komplizierter: Künstliche Intelligenz, komplexe Märkte und Blackbox-Algorithmen machen Zusammenhänge immer schwerer durchschaubar. Wer die Hintergründe nicht versteht, erlebt Unsicherheit - und verliert Vertrauen.

Handhabbarkeit ohne Ressourcen?

Handhabbarkeit bedeutet: Ich habe die Mittel, um Aufgaben zu bewältigen. In vielen Unternehmen herrscht jedoch Personalmangel, Zeitdruck und starre Hierarchie. Führungskräfte und Mitarbeitende sollen Verantwortung tragen, ohne Entscheidungsfreiheit zu besitzen. Fehler werden oft sanktioniert, statt als Lernchance akzeptiert. So bleibt das Gefühl, den Herausforderungen ausgeliefert zu sein.

Sinnhaftigkeit ohne Vision?

Das dritte Standbein ist Sinn. Arbeit wird dann gesundheitsförderlich, wenn Menschen verstehen, wofür sie sich anstrengen. Doch Studien zeigen: Rund 75 % der Führungskräfte haben keine klare Vision oder können sie nicht vermitteln. Wenn Orientierung fehlt, reduziert sich Arbeit auf das Abarbeiten von Aufgaben - ohne verbindende Kraft und ohne Inspiration.

Fazit: Salutogenese braucht Führung

Das salutogenetische Modell zeigt, was Menschen stärkt. Doch Unternehmen tun sich schwer, diese Grundprinzipien umzusetzen. Komplexität, Ressourcenknappheit und fehlende Visionen führen dazu, dass das Kohärenzgefühl brüchig wird - mit Folgen für Motivation, Gesundheit und Bindung.

Tipps für eine salutogenetische Führungspraxis

  • Komplexität erklären
    digitale Prozesse und Entscheidungen transparent machen.
  • Handlungsräume öffnen
    klare Entscheidungsbefugnisse schaffen und eine positive Fehlerkultur fördern.
  • Vision erarbeiten und teilen
    den Sinn hinter Aufgaben benennen und im Alltag lebendig halten.
  • Gesundheitsressource Arbeit ernst nehmen
    Führung an der Fähigkeit messen, Motivation und Resilienz zu stärken.

-> Gute Führung ist nicht nur ein Erfolgsfaktor für Produktivität - sie ist ein Beitrag zur Gesundheit. Wer nach den Prinzipien der Salutogenese führt, sorgt dafür, dass Menschen nicht nur leisten, sondern auch langfristig gesund bleiben.

Quellen

  • Die zentrale Expertise der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): "Was erhält Menschen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese - Diskussionsstand und Stellenwert" bietet eine umfassende theoretische Einführung, Literaturüberblick und praxisnahe Empfehlungen. bug-nrw.de
  • Die Campus02-Studie (2024) zeigt, dass neuere Arbeiten den salutogenetischen Ansatz weiterentwickeln und durch internationale empirische Befunde stützen. opus.campus02.at
  • Ein konkretes Beispiel aus der Softwareentwicklung: In der Studie "Salutogenesis-Enhanced Software Tool" wurde untersucht, ob Tools, die auf dem Salutogenese-Modell aufbauen, Stress reduzieren und die Leistung verbessern. arxiv.org
  • Ebenfalls relevant: "Leadership and Psychological Safety" untersucht im Software-Engineering-Bereich, wie psychologische Sicherheit und klare Normen Leistung und Zufriedenheit beeinflussen - Aspekte, die sich gut mit salutogenetischen Prinzipien koppeln lassen. arxiv.org

Weiterführende Links

  • Führungstraining: Weiß & Senninger bieten seit 2000 erfahrungsorientierte und inspirierende Führungstrainings an: www.wei-sen.de

Über den Autor:

Tom Senninger
Tom Senninger
Tom Senninger ist Personal- und Organisationsentwickler und führt seit 25 Jahren Führungskräfteentwicklungsprogramme durch.

Mit dem Führungsblog will er einen Beitrag zur Förderung der Führungsqualität in Unternehmen beisteuern.

Weiß & Senninger
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