München, 01.07.2024

Führung im digitalen Zeitalter:
Digital Leadership vs. Transformationaler Führung

'Digital Leadership' und 'Transformational Leadership' sind zwei Schlüsselkonzepte moderner Unternehmensführung. Doch worin unterscheiden sie sich in der Praxis und welche Gemeinsamkeiten teilen sie? Wir stellen hier beide Führungsstile gegenüber.

Einleitung

Im Zeitalter der Digitalisierung müssen Führungskräfte ständig neue Herausforderungen meistern und ihre Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse anpassen, will man den Anschluss nicht verlieren. In diesem Zusammenhang wird neuerdings vielfach von 'Digital Leadership' gesprochen. Dieser Begriff ist so jung, dass es dazu noch keinen Eintrag bei Wikipedia gibt! Nichtsdestotrotz gibt es bereits viele Studien über die neuen Anforderungen an Führung in einer digitalisierten Welt.

Die aktuell vier wertvolsten Unternehmen entstanden im Rahmen der Digitalisierung: Microsoft, Apple, Alphabeth und Amazon. Tesla überholt die klassischen Automobilkonzerne auf er digitalen Überholspur. Neue Begriffe werden gefunden, um die Entwicklungen zu beschreiben. Einer dieser neuen Begriffe ist "VUCA", der die neue Arbeitswelt charakterisiert: ("volatility, uncertainty, complexity, and ambiguity" auf deutsch: "Veränderungsgeschwindgkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit" ) (s.a. Bennett & Lemoine, 2014a; Rodriguez & Rodriguez, 2015)

In diesem Artikel werden wir die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser beiden Führungsstile näher beleuchten und relevante Studien dazu vorstellen.

Digital Leadership: Führung in der digitalen Ära

Digital Leadership bezieht sich auf die Fähigkeiten und Strategien, die notwendig sind, um Unternehmen durch die digitale Transformation zu führen. Im Mittelpunkt steht die Nutzung digitaler Technologien zur Verbesserung von Geschäftsprozessen, der Förderung von Innovation und der Steigerung der Agilität des Unternehmens. Digital Leader müssen über technisches Wissen und die Fähigkeit verfügen, digitale Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Zudem legen sie großen Wert auf Datenanalyse und digitale Kommunikationstools, um informierte Entscheidungen zu treffen und Teams effizient zu führen.

Die Nutzung der digitalen Möglichkeiten erzeugt vollkommene Arbeitswelten: Homeoffice, Remote Work, 24/7 Responsivity, digitale Kennzahlen bis hin zur Automatisierung mit Hilfe künstlicher Intelligenz.
Standen bislang Führungskräfte vor der Herausforderung, auf Menschen und Beziehungen Einfluss zu nehmen, so verändern sich die Aufgaben nun in Richtung digitaler Prozesse, Prozesstseuerung und Machinelearning. Fortan geht es um das Steuern und Zusammenspiel zwischen Mitarbeitern und Maschine bzw. KI-Prozessen. Der Fokus verlagert sich damit weg vom Mensch und hin zur Technologie.

Um diese stetig wachsende Geschwindigkeit und Komplexität zu handeln, müssen Digital Leaders interdisziplinäre Teams, incrementelle Prozesse und Kundenbedürfnisse gleichzeitig steuern. Dafür werden mehr und mehr agile Methoden und Konzepte entwickelt.
Geschwindigkeit bedeutet auch, zunehmend mehr Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter, denn Kontroll- und Freigabeprozesse verlangsamen erheblich.

Hier ein Überblick, wie Digital Leaders mit diesen HErausforderungen umgehen:

VUCAHerausforderungLösungen digitaler Leader
Volatility Die Geschwindigkeit von Veränderungen nimmt enorm zu. Delegation von Entscheidungsbefugnissen, inkrementelles Erarbeiten, Entwickeln am Kunden
Uncertainty Die Zukunft ist kaum vorhersehbar. Ergebnisse von Events und Maßnahmen sind schwerer zu prognostizieren. Dies erschwert Führungskräften eine klare Vision zu entwickeln. Prototyping, Design Thinking, Einbindung der Kunden
ComplexityProbleme werden zunehmend schwieriger zu lösen, da immer mehr Abhängigkeiten, Vernetzung und unberechenbare Variablen eine sichere Entscheidung unmöglich machen. Interdisziplinäre Teams, flexible Prozesse, flexible Ziele
AmbiguityEs gibt zunehmend weniger eindeutige Lösungen. Viele Möglichkeiten und Mehrdeutigkeiten erschweren klare Entscheidungen. Ausprobieren, Schrittweises Herantasten, KI und AR

Transformational Leadership: Inspiration und Veränderung

Transformational Leadership hingegen konzentriert sich auf die Fähigkeit einer Führungskraft, ihre Mitarbeiter zu inspirieren und zu motivieren, um Veränderungen voranzutreiben und die Leistung des Unternehmens zu steigern. Transformational Leader zeichnen sich durch ihre Vision, Charisma und die Fähigkeit aus, eine starke emotionale Bindung zu ihren Mitarbeitern aufzubauen. Sie fördern Innovation und Kreativität, indem sie ihre Teams ermutigen, über den Tellerrand hinauszuschauen und neue Wege zu gehen. Im Gegensatz zu Digital Leadership steht hier der Mensch und seine Entwicklung im Mittelpunkt.

Das Konzept der Transformationalen Führung wurde 1985 von Bernard Bass entwickelt und gehört zu den am besten erforschten und nachweislich erfolgreichen Führungskonzepten. Bass hat im wesentlichen vier Besonderheiten (die 4 I's) der Transformationalen Führung definiert: Idealized Influence, Intellectual Stimulation, Inspirational Motivation und Individual Consideration.

Die 4 I'sHerausforderungLösungen transformationaler Leader
Idealised Influence

Vorbildfunktion und Vertrauen

Führungskräfte sollen nicht entkoppelt von den Mitarbeiter wirken. Vertrauen und Glaubwürdigleit sind die entscheidenden zwischenmenschlichen Werte für (freiwillige) Gefolgschaft. Ziel ist ein beiderseitiges "Commitment" zu erzeugen. Kommunikation des Unternehmenszwecks, Wertschätzung, Feedback - auch selbst nehmen
Inspirational Motivation Statt extrinsisch mit Belohnung (und Sanktion) zu motivieren, versucht die transformationale Führung die menschenimmanennte Motivation intrinsisch zu ermöglichen. Kommunikation einer klaren Vision, Zielvereinbarung statt -vorgabe, Entscheidungsbefugnisse
Intellectual Stimulation Werden Mitarbeitende per Ansage oder Anweisung geführt, verlieren diese Initiative und bleiben in der Passivität. Intellektuelle Stimulation will genau das Gegenteil bewirken: die aktive Beteiligung mit kreativen Ideen. Kreativitätstechniken, Beteiligungsmethoden, non-direktive Führung
Individual Consideration

Individuelle Berücksichtigung

Mitarbeitende haben höchst individuelle Stärken und Schwächen und wollen als Mensch gesehen werden. Je mehr ein Mitarbeiter sich wertgeschätzt fühlt, desto eher bringt er sich mit vollem Engagement ein. Individuelle Entwicklungsgespräche und Aufgaben, Mentorship/Coaching

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Unterschiede

  • Technologiefokus vs. Menschenfokus:
    Digital Leadership konzentriert sich stark auf die Integration und Nutzung digitaler Technologien, während Transformational Leadership den menschlichen Aspekt der Führung betont.
  • Ziele:
    Digital Leader streben nach technologischem Fortschritt und Effizienzsteigerung, während Transformational Leader die persönliche und berufliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter fördern wollen.
  • Ansatz:
    Digital Leadership erfordert technisches Know-how und strategisches Denken in Bezug auf digitale Tools und Prozesse, während Transformational Leadership auf emotionale Intelligenz und die Fähigkeit, eine inspirierende Vision zu kommunizieren, setzt.

Gemeinsamkeiten

  • Veränderung als Kernaufgabe:
    Beide Führungsstile haben das Ziel, Veränderungen zu bewirken und das Unternehmen voranzubringen.
  • Innovation:
    Sowohl Digital Leader als auch Transformational Leader fördern Innovation und kreative Problemlösungen.
  • Kommunikation:
    Beide Ansätze legen großen Wert auf effektive Kommunikation, sei es durch digitale Kanäle oder durch persönliche Interaktionen.
  • Delegation:
    In allen modernen Führungsansätzen wird die Entscheidungsbefugnis der Mitarbeitenden erhöht. Das soll Verantwortungsbewusstsein und Geschwindigkeit steigern.

Schlussfolgerung

Sowohl 'Digital Leadership' als auch 'Transformationale Führung' bieten wertvolle Ansätze, um Unternehmen durch Zeiten des Wandels zu führen. Während Digital Leadership den Fokus auf technologische Innovation legt, betont Transformational Leadership die Bedeutung von Vision und Inspiration.

Die erfolgreichsten Führungskräfte sind oft diejenigen, die Elemente beider Ansätze kombinieren können, um eine ganzheitliche und anpassungsfähige Führungsstrategie zu entwickeln.

Künftig müssen Führungskräfte eine (digitale) Vision formulieren, die klar artikuliert und damit für die Mitarbeiter verständlich (und akzeptabel) ist. Leere Phrasen wie "wir müssen alle unsere Prozesse digitalisieren" sind zu unpräzise und ungeeignet, um die Mitarbeiter zu ermutigen, die Digitalisierung zu unterstützen. Außerdem muss die digitale Vision ambitioniert genug sein um im internationalen Wettbewerb gegen agile und innovative Start-ups sowie große digitale Unternehmen Unternehmen aus den USA (z.B. Uber und Airbnb) und Asien (z.B. Alibaba und Tencent) zu bestehen.

Die Vision allein reicht jedoch nicht aus; sie muss auch erfolgreich umgesetzt werden. Dazu brauchen Führungkräfte eine offene, den neuen Technologien zugewandte Haltung, sowie auch die Fähigkeit, diese zu bedienen und den Nutzen daraus zu erkennen.

Einen weiteren Artikel über die Umsetzung der Transformationalen Führung in der Alltagspraxis lesen Sie hier

Studien und Ressourcen

1. Digital Leadership:
  • "The impact of digital leadership on sustainable performance: a systematic literature review" von Tze Yin Khaw, Ai Ping Teoh and Siti Nabiha Abdul Khalid (2022).
    Verfügbar unter: [Link zur Studie]
  • "Digital Leadership: A Framework for Successful Leadership in the Digital Age" von Simon Hensellek (2020)
    Verfügbar unter: [Link zur Studie]

2. Transformational Leadership:
  • "Transformational Leadership and Organizational Performance" von James MacGregor Burns (1978).
    Verfügbar unter: [Link zur Studie]
  • "The Role of Transformational Leadership in Enhancing Organizational Innovation" von Bernard M. Bass (1985).
    Verfügbar unter: [Link zur Studie]

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Über den Autor:

Tom Senninger
Tom Senninger
Tom Senninger ist Personal- und Organisationsentwickler und führt seit 25 Jahren Führungskräfteentwicklungsprogramme durch.

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