München, 01.06.2022

Inspiration statt Motivation? Was wirkt stärker?

Inspiration ist ein unterschätzter Faktor in der Führungsarbeit. Sie wird häufig übersehen, weil sie schwer fassbar ist. Jüngste Forschungen zeigen, dass Inspiration aktiviert, eingefangen und gesteuert werden kann, und dass sie einen großen Einfluss auf Erfolg und Ergebnisse hat: Inspirierte Menschen sind stärker intrinsisch und weniger extrinsisch motiviert, was sich stark auf die Arbeitsleistung auswirkt.

Inspiration durch Führungskräfte hat tiefgreifende positive Auswirkungen auf Mitarbeitende. Inspiriert zu sein, steigert das Engagement und die Motivation, was zu höherer Produktivität und Zufriedenheit führt. Mitarbeitende fühlen sich wertgeschätzt und verbunden, was ihre Kreativität und Innovationsfähigkeit erhöht. Inspiration trägt auch zur persönlichen und beruflichen Entwicklung bei, da Mitarbeitende ermutigt werden, ihre Fähigkeiten zu erweitern und neue Herausforderungen anzunehmen. Inspiration ist daher ein weit unterschätzter Erfolgsfaktor in der Führungsarbeit.

Inspiration weckt in uns den Blick für neue Möglichkeiten: Sie erlaubt uns, über unsere Grenzen hinauszuwachsen. Sie führt uns von der Apathie zu neuen Möglichkeiten und verändert die Art und Weise, wie wir unsere eigenen Fähigkeiten wahrnehmen. Doch wie funktioniert Inspiration? Und wie können Führungskräfte dazu beitragen, dass Inspiration im Team und bei Mitarbeitern möglich ist?

Inspiration erleichtert das Erreichen von Zielen.

In einer kürzlich von Marina Milyavskaya und ihren Kollegen durchgeführten Studie wurden College-Studenten gebeten, drei Ziele anzugeben, die sie im Laufe des Semesters erreichen wollten. Anschließend berichteten sie dreimal im Monat über ihre Fortschritte. Diejenigen, die auf der Inspirations-Skala höhere Werte erzielten, zeigten einen größeren Fortschritt bei der Zielerreichung. Menschen, die sich in ihrem Alltag inspirierter fühlten, setzten sich auch eher inspirierte Ziele, die sie dann mit größerer Wahrscheinlichkeit auch erreichten. Schließlich berichteten die inspirierten Personen, dass sie mehr Sinn im Leben und mehr Dankbarkeit empfanden.

Um uns in Bewegung zu bringen (s.a. Etymologie "Motivation") stellen wir bewusst oder unbewusst eine Kosten-Nutzen-Analyse auf:

  1. Wie attraktiv ist die Aussicht auf Belohnung?
  2. Wieviel Aufwand und Arbeit steht dem gegenüber?
D.h. es ist wichtig, sich die Chancen und möglichen Belohnungen vor Augen zu halten. Wir sprechen also von einer erstrebenswerten Vision: Eine Versinnbildlichung eines Zustandes, den man herstellen oder erreichen will. Je konkreter und sinnlicher dieses Bild, desto zielstrebiger werden wir darauf zu gehen.

Die Vision erzeugt also intrinsische Motivation und beantwortet unter anderem die Frage, wie man Mitarbeiter motiviert.

Man kann diesen Effekt sogar in unserem Blutbild nachweisen: unser Körper schüttet das Hormon Dopamin aus, das auch im Volksmund als "Glückshormon" bezeichnet wird. Es ist für gute, glückliche Gefühle verantwortlich. Diese Momente im Leben wollen wir wiederholen und erachten wir als erstrebenswert.

Dagegen abgewägt wird der damit verbundene Aufwand: Die Anstrengungen und Risiken, die damit verbunden sind. Je größer uns der Aufwand erscheint, desto stärke blockiert unser Gehirn die Ausschüttung von Dopamin. Es erscheint dadurch weniger lustvoll und attraktiv.

Überträgt man nun diese beiden Gehirnfunktionen in den Führungsalltag, so lassen sich bereits zwei Einflussquellen benennen:

Die Ausarbeitung einer Vision vs. die Darstellung der damit verbundenen Probleme und Hindernisse. Ersteres motiviert; letzteres "killt" den kreativen Prozess. Das ist auch der Grund, weshalb wir bei kreativen Prozessen den Kritiker erstmal ausschalten sollten. So funktioniert das Brainstorming auch besser, wenn in der ersten Phase unkommentiert und unbewertet gesammelt wird. Um also erstmal in Stimmung zu kommen, hat Führung dafür zu sorgen, dass zunächst ein geschützter Rahmen das Entwickeln einer attraktiven Vision ermöglicht.

Die Psychologen Todd M. Thrash und Andrew J. Elliot haben vier Kernaspekte der Inspiration herausgearbeitet:

Spontaneität

Inspiration kann nicht erzwungen werden, denn sie entsteht spontan. So lange wir uns mit unseren Gedanken, unseren typischen Alltagsthemen und Problemen beschäftigen, ist Inspiration nur sehr eingeschränkt möglich. Denn wir befinden uns dann in einem Reaktiven Zustand: Reaktiv gegenüber allen Anforderungen aus unserer Umwelt. (Alltags-)Stress engt in der Regel unser Denken und Handeln ein. In Stresssituationen können wir Inspirationen nicht erzwingen.

Inspiration braucht stattdessen einen Freiraum, losgelöst vom Alltäglichen größer zu denken. Sich also vom "Hier-und-Jetzt" in ein "Wie es sein sollte" zu versetzen. Das erfordert Zeit und Raum, sich mit Möglichkeiten und Chancen in der Zukunft zu beschäftigen, ohne vorher zu wissen, ob und wann es sich auszahlt.

Wenn es dann soweit ist, wird der Augenblick einer Inspiration häufig auch mit einem "Moment der Klarheit" beschrieben. Das kann die Form einer großen Vision annehmen oder das "Sehen" von etwas, das man vorher nicht gesehen hat (das aber wahrscheinlich schon immer da war).

Aus dieser klaren Vision entsteht die Motivation bzw. der Beweggrund, Schritte zur Verwirklichung zu planen. Nach Thrash und Elliot beinhaltet Inspiration sowohl das Gefühl, von etwas inspiriert zu sein, als auch das Handeln auf der Grundlage dieser Inspiration.

Offenheit

Offenheit für neue Erfahrungen ist eine häufig genannte Voraussetzung für Inspiration. Das deutet darauf hin, dass diejenigen, die offener für Inspiration sind, diese auch eher erleben.

Offenheit für Neues kann durch Führung beeinflusst werden: z.B. indem im Team ausprobiert und experimentiert wird. Oder indem Aufgaben oder Rollen immer wieder einmal getauscht werden.
Offenheit bedeutet auch, sich einem Vergleich zu stellen: z.B. wie machen das andere? Wer ist unser Benchmark und was kann der besser?
Alles, was dazu beiträgt, über den eigenen Tellerrand hinaus zu beobachten, hilft, Offenheit und Neugierde zu wecken.

Dazu ist es hilfreich, im Team bewusst zwischen "operativer Problemlösung" und "kreativer, inspirierender Ideenfindung" zu unterscheiden und für beides einen eigenen geeigneten Rahmen zu finden.

Da Inspiration nicht immer "vernünftig" und "rational" ist, unterliegt der Inspirationsprozess anderen Regeln: er setzt Offenheit, Neugierde, Wertfreiheit voraus und darf nicht durch vorschnelle Kosten-Nutzen-Betrachtungen erstickt werden. Das bedeutet, sich Zeit zu nehmen, ohne zu wissen, was am Ende herauskommt. Das kann auch bedeuten, Experimente im Team zu betreiben, ohne einen Return on Invest rechtfertigen zu müssen.

Vorbilder

Ein weiterer, unglaublich wichtiger und oft übersehener Auslöser für Inspiration ist der Kontakt mit inspirierenden Managern, Vorbildern und Helden. Steve Jobs, Elon Musk, David Marquet sind jeder auf seine Weise inspirierende Persönlichkeiten.

Eine großartige Quelle für inspirierende Reden ist auch das Portal www.Ted.org. Suchen Sie z.B. nach Simon Sineck oder Benjamin Zander ...

Abstand zum Alltag

Inspirationen brauchen Zeit und Abstand zum Arbeitsalltag. Schaffen Sie daher bewusst Unterbrechungen, um Zeit zum Nachdenken und intuitiven Erspüren zu lassen. David Marquet hält es für enorm wichtig, dass ein Team neben der produktiven Zeit, sich extra auch Zeit nimmt, zu reflektieren und über Verbesserungen nachzudenken. Er nennt das "blaue Zeit" im Unterschied zur "roten Zeit".

  • ein Spaziergang in der Natur
  • Sport
  • Reflexionsmeeting
  • "blaue" Zeit einplanen
  • Ortswechsel durchführen
  • Benchmark betreiben

Was sind nun Voraussetzungen für Inspiration in Ihrem Team?

Um persönlich inspiriert zu werden, muss man die optimalen Bedingungen für Inspiration schaffen. Man muss sich erlauben, neugierig "auf die Suche" zu gehen. Ein einfacher erster Schritt besteht darin, die schiere Kraft der Inspiration und ihren potenziellen Einfluss auf alles, was wir tun, zu erkennen.

So können Sie durch Inspiration Ihre Mitarbeiter motivieren. Weitere Tipps für mehr Motivation finden Sie übrigens in unserem Online Führungstraining.

Wir haben ein Online Führungstraining entwickelt, das die Prinzipien inspirierender Führung in 18 Kapiteln erarbeitet und Ihnen ermöglicht, nicht nur Ihren persönlichen Führungsstandpunkt, sondern auch Ihre Führungsvision zu erarbeiten.

Wie Führungskräfte Inspiration fördern können

Kommunikation einer klaren Vision

Eine inspirierende Vision motiviert Mitarbeitende und gibt ihnen das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.

Stärkung der Mitarbeitenden

Verantwortung übertragen und Freiheiten gewähren fördert das Gefühl der Autonomie und Kompetenz.

Förderung von Zusammenarbeit und Teamgeist

Eine Kultur der Zusammenarbeit - auch über den eigenen Bereich hinaus - schafft ein unterstützendes und vertrauensvolles Arbeitsumfeld.

Individuelle Anerkennung und Feedback

Regelmäßiges und spezifisches Feedback sowie die Anerkennung individueller Beiträge erhöhen das Engagement und die Motivation.

Vorbildfunktion

Authentische und integre Führungskräfte schaffen Vertrauen und Respekt, was die Inspiration und das Engagement der Mitarbeitenden fördert.

Quellen

  1. Inspiration as a Psychological Construct: Diese Studie untersucht Inspiration als allgemeines Konstrukt, charakterisiert durch Evokation, Motivation und Transzendenz. Lesen Sie mehr auf ResearchGate.
  2. Inspiration: Core Characteristics, Component Processes, Antecedents, and Function: Diese Studie untersucht die Kernmerkmale, Komponentenprozesse, Antezedenzien und Funktionen von Inspiration. Lesen Sie mehr auf APA PsycNet.
  3. Transformational Leadership und Mitarbeitermotivation. Lesen Sie mehr hier: Frontiers in Psychology

Über den Autor:

Tom Senninger
Tom Senninger
Tom Senninger ist Personal- und Organisationsentwickler und führt seit 25 Jahren Führungskräfteentwicklungsprogramme durch.

Mit dem Führungsblog will er einen Beitrag zur Förderung der Führungsqualität in Unternehmen beisteuern.

Weiß & Senninger
Die Führungsprofis
Platenstr 6
80336 München

089 97392288